Salzburger Festspiele 2011: Das Schauspiel-Programm

13.11.2010

vielversprechendes Programm (c) Manfred Siebinger
Programm präsentiert

 

Zwei Uraufführungen, die Neuinszenierung des Faust-Marathons in Hallein und von Maß für Maß im Landestheater, bilden neben der Wiederaufnahme von Jedermann und Ein Sommernachtstraum die Schwerpunkte des Schauspielprogramms 2011. In der überarbeiteten Inszenierung von Christian Stückl erfolgt die Wiederaufnahme des Jedermann 2011 in fast unveränderter Besetzung, allein die Guten Werke wird Lina Beckmann dieses Jahr neu interpretieren. Der Spielplan des Young Directors Project 2011 (mit Produktionen aus den USA, Dänemark, Schweden, Großbritannien und Belgien) erlaubt es, im zehnten Jubiläumsjahr, innerhalb von zwei Tagen alle 5 Aufführungen an Spielstätten in ganz Salzburg zu erleben.

Roland Schimmelpfennig inszeniert seine Auftrags-Uraufführung Die vier Himmelsrichtungen im Salzburger Landestheater. Er erzählt in seinem neuen Stück die Geschichte von sechs Menschen, die in einer Großstadt aus allen Himmelsrichtungen aufeinander treffen, wobei sich ihre schicksalhaften Lebensläufe durch raffinierte Perspektivwechsel und Rückblenden erst ganz zum Schluss offenbaren. Die Aufführung bringt ein Wiedersehen mit den Festspielkünstlern Johannes Schütz, Kathleen Morgeneyer, Almut Zilcher, Jens Lehmann, sein Festspieldebüt gibt hier Ulrich Matthes.

Nicolas Stemann inszeniert beide Teile von Goethes Faust als Marathonvorstellungen an vier Wochenenden auf der Perner-Insel Hallein. Am Tag nach der Premiere beginnt die Programmreihe Auf eigene Faust u.a. mit einer Lesung mit Klaus Maria Brandauer, der szenischen Einrichtung von Daniel Kehlmanns Stück Geister in Princeton: einem Auftragswerk der Salzburger Festspiele, das von dem Wissenschaftler Kurt Gödel handelt, Ibsen-Preisträger Jon Fosses Version von Faust, einem Konzert mit „Unterhaltungsmusik zur Suche nach Erkenntnis“ der Österreicherin Gustav mit Ben Becker als singendem Gast u.v.m.

Die Uraufführung Immer noch Sturm ist vielleicht Peter Handkes persönlichstes Theaterstück – eine Art Traumspiel, in dem ein Erzähler die Geschichte seiner Familie, und darin auch seiner Leute, der slowenischen Kärntner erzählt. Dimiter Gotscheff führt Regie.

Das Stefan Zweig Center und die Universität Salzburg in der Edmundsburg werden sich begleitend zu einem Ort Jenseits der Grenze verwandeln – Lesungen, Gespräche und Filmaufführungen bilden ein Rahmenprogramm zu Handkes Welt. Die Reihe Dichter zu Gast geht in diesem Jahr auf in den zwei Begleitprogrammen: Jenseits der Grenze zu Peter Handkes Immer noch Sturm und Auf eigene Faust zu Goethes Faust 1&2.

Thomas Ostermeier kehrt mit der Inszenierung von Shakespeares Maß für Maß zu den Festspielen zurück. Das Stück liefert eine schonungslose Analyse der zwischenmenschlichen Dynamik im Umgang mit Macht und ist gleichzeitig eine federnde Komödie über die Schwierigkeit, das Richtige zu tun. In den Hauptrollen sind Gert Voss und Lars Eidinger zu sehen. Die Neuübersetzung übernahm Marius von Mayenburg.

Nach dem Erfolg der letztjährigen Produktion erfolgt eine Wiederaufnahme unter neuer Regie und mit neuen Schauspielstudenten der Universität Mozarteum: Die Aufführung vereint im Park von Schloss Leopoldskron ein abendliches Picknick mit der Theater- und Filmaufführung von Ein Sommernachtstraum.

DAS SCHAUSPIEL

Zwei Uraufführungen, die Neuinszenierung des Faust-Marathons in Hallein und von Maß für Maß im Landestheater bilden, neben der Wiederaufnahme von Jedermann und Ein Sommernachtstraum die Schwerpunkte des Schauspielprogramms 2011.

Das Programm Dichter zu Gast geht in diesem Jahr auf in die zwei produktionsbegleitenden Rahmenprogramme: Jenseits der Grenze zu Peter Handkes Immer noch Sturm und Auf eigene Faust zu Goethes Faust 1&2. Gäste sind die Autoren Daniel Kehlmann, Fabjan Hafner, Peter Stephan Jungk, Jon Fosse und Margarete Mitscherlich, denen als Gesprächspartner Musiker, Komponisten, Film- und Literaturwissenschaftler, Filmemacher, Theaterregisseure und Schauspieler zur Seite stehen.

Das YDP-Programm 2011 schließt an Arbeiten wie die große Hotelinstallation You are here (Dries Verhoeven) oder Wiedersehen macht Freude des Künstlerduos Auftrag:Lorey an – es versammelt Inszenierungen, die sich mit dem Eintauchen des Zuschauers in die Aufführung beschäftigen und dem Theater dafür, im wahrsten Sinne, neue Räume eröffnen. Der Spielplan des YDP erlaubt es im zehnten Jubiläumsjahr, innerhalb von zwei Tagen alle 5 Aufführungen in einer frei gewählten Reihenfolge zu erleben und bildet für die Dauer von 10 Tagen ein dichtes Repertoire. Die Aufführungen aus den USA, Dänemark, Schweden, Großbritannien und Belgien haben ihre Spielstätten im gesamten Stadtgebiet – von der Universitätsaula bis zum Museum der Moderne, in angemieteten Wohnhäusern und natürlich im republic. Den Auftakt bildet das Kopenhagener Performance-Kollektiv SIGNA mit der speziell für und in Salzburg entwickelten Auftragsarbeit Das ehemalige Haus.

JEDERMANN 2011

Die Wiederaufnahme des Jedermann erfolgt 2011 in unveränderter Besetzung, mit einer Ausnahme – frohe Umstände machten es erforderlich, die Rolle der Guten Werke, die im Vorjahr beeindruckend von Angelika Richter interpretiert wurde, mit der Kölner Schauspielerin Lina Beckmann neu zu besetzen. In der überarbeiteten Inszenierung von Christian Stückl treten wieder auf Martin Reinke, Ben Becker, Peter Jordan, Nicholas Ofczarek, Elisabeth Rath, Robin Sondermann, Britta Bayer, Robert Reinagl, Birgit Minichmayr, Felix Vörtler, Thomas Limpinsel, Sascha Oskar Weis und David Supper.

Unter dem Titel Jedermann remixed wird zudem ein ungewöhnliches Filmprojekt in der Regie von Hannes Rossacher, der im Vorjahr bereits die allein in Österreich von 387.000 Zuschauern live mitverfolgte Aufzeichnung des Jedermann hergestellt hat. Sein neues Filmprojekt ist eine Zeitreise der besonderen Art: Anhand von Archivbeständen aus neun Jahrzehnten soll eine komplette Jedermann-Aufführung entstehen, die eine Zeitreise durch die Aufführungsgeschichte des Salzburger Jedermann ist. Durch die Montage unterschiedlicher Aufzeichnungen treten Schauspieler miteinander auf, deren Interpretation oft mehrere Jahrzehnte trennen. So entsteht ein kulturhistorisches Puzzle von Alexander Moissi bis Nicholas Ofczarek - ein Film über das Phänomen des Salzburger Jedermann.

Ben Becker-Fans dürfen sich zudem auf einen Konzertabend des Schauspielers mit der Sängerin Gustav im Rahmenprogramm Auf eigene Faust freuen.

FAUST 1&2 + AUF EIGENE FAUST

Nicolas Stemann inszeniert beide Teile von Goethes Faust als Marathonvorstellungen an vier Wochenenden auf der Perner-Insel Hallein. Aus seiner umjubelten Räuber-Aufführung 2008, die im Folgejahr zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, sind die Musiker Thomas Kürstner und Sebastian Vogel, die Videokünstlerin Claudia Lehmann und der Schauspieler Philipp Hochmair wieder mit dabei. Am Tag nach der Premiere wird die Programmreihe Auf eigene Faust mit einer Aufführung von Murnaus Stummfilmklassiker in der Aula der Universität eröffnet. Die Freunde der Salzburger Festspiele unterstützen die Neuvertonung des Films durch ein Konzert des Hamburger Ensemble Resonanz und einen Kompositionsauftrag an Tobias Schwenke. Es folgt eine Lesung zum Fauststoff mit Klaus Maria Brandauer und dem Pianisten Lars Vogt im Landestheater. Die szenische Einrichtung von Daniel Kehlmanns Stück Geister in Princeton übernimmt der Autor, Regisseur und Produzent Christopher Hampton. Das Stück über den Wissenschaftler Kurt Gödel entstand im Auftrag der Salzburger Festspiele und wird unmittelbar nach seiner Fertigstellung hier erstmals vorgestellt. Die Uraufführung findet im Herbst 2011 im Schauspielhaus Graz statt. Am 5. August präsentiert der in diesem Jahr mit dem Ibsen-Preis ausgezeichnete Dramatiker und Romancier Jon Fosse mit Sebastian Rudolph und Patrycia Ziolkowska aus dem Faust-Ensemble sowie Hinrich Schmidt-Henkel und dem Regisseur Eirik Stubø seine Version von Goethes Faust, die im Februar 2012 ihre Uraufführung in Stockholm erlebt. Es folgt ein Gespräch mit der Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich und dem Gretchen aus der Faustinszenierung Patrycia Ziolkowska über die Radikalität des Alters. Den Abschluss des Programms bildet ein Konzert mit „Unterhaltungsmusik zur Suche nach Erkenntnis“ der österreichischen Sängerin und Komponistin Gustav mit Songs zu Goethes Faust, begleitet von ihrem Ensemble und Ben Becker als singendem Gast.

DIE VIER HIMMELSRICHTUNGEN

Die Festspielsaison im Landestheater beginnt mit einer Uraufführung des neuen Stückes von Roland Schimmelpfennig in seiner eigenen Regie; er hat zuvor bereits erfolgreich als Regisseur in Zürich und Wien gearbeitet. „Die vier Himmelsrichtungen“ sind eine Auftragsarbeit der Salzburger Festspiele und des Deutschen Theaters Berlin. Roland Schimmelpfennig, dessen Drama „Der goldene Drache“ zum Stück des Jahres 2010 gewählt wurde, erzählt in seinem neuen Stück mit vier Schauspielern die Geschichte von sechs Menschen, die in einer Großstadt aus allen Himmelsrichtungen aufeinander treffen, wobei sich die schicksalhaften Verbindungen ihrer Lebensläufe und ihrer tödlichen Verwicklungen durch raffinierte Perspektivwechsel und Rückblenden erst ganz zum Schluss offenbaren. Die Aufführung bringt ein Wiedersehen mit Festspielkünstlern der letzten Jahre, darunter Johannes Schütz, der als Bühnenbildner von Jürgen Goschs Inszenierung der Möwe und seiner unvollendeten Bakchen wie auch von Matthias Hartmanns Inszenierung von Phädra in Salzburg gearbeitet hat, sowie mit Kathleen Morgeneyer, der Nina aus Jürgen Goschs Möwe, Nachwuchsschauspielerin des Jahres 2009. Sein Festspieldebüt gibt in dieser Inszenierung Ulrich Matthes, an seiner Seite Almut Zilcher, die hier zuletzt in Leander Haußmanns Inszenierung von Ein Sommernachtstraum in der Felsenreitschule zu sehen war, und Jens Lehmann.

IMMER NOCH STURM UND JENSEITS DER GRENZE

Es ist vielleicht Peter Handkes persönlichstes Theaterstück – eine Art Traumspiel, in dem ein Erzähler die Geschichte seiner Familie, und darin auch seiner Leute, der slowenischen Kärntner, in einem großen epischen Bogen von den späten dreißiger Jahren bis in die frühen neunziger Jahre erzählt. Im Kern ist es eine Ahnenbeschwörung und zugleich die Geschichte des slowenischen Partisanenkrieges und der damit verbundenen Tragödie von Menschen, die der Tragödie entgehen wollten. Märchenhaft lässt der Erzähler seine Vorfahren wieder auferstehen und tritt ein in ihre Gesellschaft, neben seine Mutter als junge Frau, unter seine verstorbenen Großeltern, Tanten und Onkel, bis er sich selbst als dem Knaben von einst gegenübersteht.  Nach Jossi Wieler, der 2009 Handkes Eine Frage des Lichts oder Bis der Tag uns scheidet gemeinsam mit Becketts Das letzte Band im Landestheater uraufgeführt hatte, inszeniert nun Dimiter Gotscheff, der bei den Festspielen 2006 Tartuffe von Molière aufgeführt hat. Die Bühne gestaltet Katrin Brack, die für ihr verschneites Bühnenbild der Salzburger Molièrepassion von Luk Perceval 2007 den Wiener Nestroypreis erhielt.

Vom 13. bis 19. August wird sich die Edmundsburg, direkt über den Festspielhäusern gelegen und Sitz des Stefan Zweig Centre, zu einem Ort „Jenseits der Grenze“ verwandeln – Lesungen, Gespräche und Filmaufführungen bilden ein Begleitprogramm zu Handkes Welt. Sein neues Stück ist reich an Bezügen zu seinem bisherigen Schaffen und zur jüngeren Zeitgeschichte Österreichs. Daher wird Jens Harzer die Reihe mit einer Lesung aus dem 2010 erschienen „Buch der Namen“ beginnen, es folgen Gespräche und Lesungen mit renommierten Germanisten wie Hans Höller, Klaus Amann und Fabjan Hafner, dem Regisseur Wim Wenders, dem Handke-Biografen Malte Herwig, der Filmwissenschaftlerin Heide Schlüpmann und dem Autor (und einstigen Regieassistenten bei Handkes Verfilmung seiner Erzählung Die linkshändige Frau) Peter Stephan Jungk aus Paris. Der Schauspieler Markus Boysen liest im zehnten Todesjahr von W.G. Sebald aus dessen Essay über Peter Handkes Die Wiederholung. Die Terrasse der Edmundsburg wird sich in diesen Tagen in eine slowenische osmiza verwandeln, mit abendlichen Filmaufführungen und Musik. Den Abschluss der Reihe bildet Gert Voss’ Lesung aus Handkes Schlüsselroman Die Wiederholung im Landestheater. Die Reihe Jenseits der Grenze ist eine Kooperation mit der Universität Salzburg.

2x SHAKESPEARE

Thomas Ostermeier, der sein Festspieldebüt vor zehn Jahren im damaligen Stadtkino mit der deutschsprachigen Erstaufführung von Jon Fosses Der Name gab und inzwischen einer der auch international erfolgreichsten Regisseure Deutschlands ist, kehrt mit der Inszenierung von Shakespeares Maß für Maß zu den Festspielen zurück. Das in Wien angesiedelte Stück lotet scharfsinnig die Grauzone zwischen moralischer Konsequenz und inhumaner Grausamkeit aus. Es liefert eine schonungslose Analyse der zwischenmenschlichen Dynamik im Umgang mit Macht und ist gleichzeitig eine federnde Komödie über die Schwierigkeit, das Richtige zu tun. In den Hauptrollen sind Gert Voss, mit dem Ostermeier 2004 Baumeister Solness am Burgtheater inszenierte, und Lars Eidinger zu sehen. Die Neuübersetzung übernahm der deutsche Dramatiker Marius von Mayenburg, dessen Stück Der Stein 2008 im YDP zur Uraufführung kam.

Ein Sommernachtstraum - vielleicht ist dies der Beginn einer kleinen Tradition: Nach dem großen Erfolg der letztjährigen Produktion erfolgt eine Wiederaufnahme unter neuer Regie und mit neuen Schauspielstudenten der Universität Mozarteum. Die Aufführung ist ein Sommer- und Studententheater der besonderen Art: Sie vereint im Park von Schloss Leopoldskron ein abendliches Picknick mit der Theater- und Filmaufführung des Sommernachtstraums, letztere in der Hollywood-Regie von Max Reinhardt aus dem Jahr 1935 auf einer Leinwand zwischen den Bäumen vorm Weiher. Das Projekt, in Zusammenarbeit mit dem Salzburg Global Seminar realisiert, wird an Regentagen wie im Vorjahr in der Kunstgärtnerei Doll stattfinden.

YDP 2011

Ungewöhnlich an der diesjährigen Programmgestaltung ist sowohl der kuratorische Ansatz auch als die veränderte Disposition: Innerhalb von zehn Tagen werden fünf internationale Produktionen in einem kompakten Spielplan gleichzeitig in fünf verschiedenen Spielstätten präsentiert. Es handelt sich um Aufführungen, die, Mission Drift von The TEAM ausgenommen, auf eine andere Form des Theatererlebnisses setzen – jenseits der traditionellen Bühne sind die Besucher plötzlich mitten drin im inszenierten Geschehen, und zugleich „draußen“ in der Stadt, im Festspielbezirk, im Museum und verschiedenen Häusern Salzburgs. Das diesjährige Programm setzt die Erkundung unkonventioneller, dabei aber doch einladender und berührender Theaterexpeditionen fort, die wir mit Arbeiten wie der Hotelinstallation You are here oder Wiedersehen macht Freude in den vergangenen Jahren zum Bestandteil dieser Wettbewerbsreihe für junge Regisseure gemacht haben. So lädt das Londoner Künstlerduo Lundahl & Seitl zum Besuch eines imaginären Museums inmitten des Salzburger Museums der Moderne ein; das dänische Künstlerkollektiv SIGNA lässt die Zuschauer auf die Spurensuche nach einem verschwundenen Hausbesitzer gehen. Die Künstler der schwedischen Gruppe Poste Restante geben u.a. Kurse im Flirten und in guten Tischmanieren samt der Gelegenheit, das Gelernte anzuwenden, und die belgische Gruppe Ontroerend Goed entwickeln ein Spiel, in dem sich der Zuschauer, und nur er allein, selber sieht, wie er es sonst nie könnte. Die Produktion von The TEAM findet auf der Bühne des republic statt und nimmt die Zuschauer dort mit auf eine Zeitreise quer durch die Geschichte der USA, die ins Herz des amerikanischen Kapitalismus führt.

Das Programm des YDP wird zur Gänze von Montblanc International gesponsert und feiert 2011 sein zehnjähriges Jubiläum.

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