Formula 1 Großer Preis von Österreich 2017: Rennen mit Tradition

26.06.2017

F1 GP Austria Spielberg 1987 (c) Rainer W. Schlegelmilch Getty Images
Gerhard Berger (1997)

Die F1-Grand-Prix-Woche 2015 in Österreich hat begonnen! Bevor die Piloten von 19. bis 21. Juni am Red Bull Ring in Spielberg erneut um WM-Punkte kämpfen, offenbart ein Rückblick auf zehn der spektakulärsten Großen Preise von Österreich unvergessene, emotionale, ja mitunter skurrile Momente, die in den vergangenen fünf Jahrzehnten Motorsport-Geschichte geschrieben haben: Von der ersten Formel-1-Schlacht am Österreichring - zugleich Jochen Rindts letztes Rennen vor seinem Tod – über Niki Laudas legendären Heimsieg 1984 bis hin zum Comeback der Formel 1 nach Österreich 2014.

1970: Jochens letzter Start

Am Papier: Ferrari-Doppelsieg mit Jackie Ickx sechs Zehntelsekunden vor Clay Regazzoni, und der Deutsche Rolf Stomelen fährt mit seinem Brabham-Ford zum ersten und einzigen Mal aufs Podest. Unvergessen ist der erste Grand Prix am Österreichring frei- lich aus einem ganz anderen Grund: Es war DAS Rennen von Jochen Rindt, sein erster Heim-GP auf der neuen Strecke, die das Flugplatzrennen in Zeltweg abgelöst hatte. Jeder wollte ihn, den WM-Führenden, auch zu Hause in seinem neuen Wohnzimmer siegen sehen, doch ein technischer Defekt kostete ihn das Rennen. Der nächste Defekt sollte ihn das Leben kosten: Der Große Preis von Österreich 1970 war das letzte Rennen des unvergessenen Jochen Rindt.

1975: Mach mir den Brambilla!

Es war einer der wildesten Sonntage der Formel-1-Geschichte: Zuerst platzte Mark Donohues linker Vorderreifen, er kam von der Strecke ab und verunfallte – kein sonderlich schwerer Unfall nach damaligen Maßstäben. Tags darauf fiel er dennoch ins Koma – und starb. Das Rennen selbst war eine Regenschlacht sondergleichen, in der kaum einer den Überblick behielt. Die Bedingungen wurden so schwierig, dass rundenlang über einen Renn-Abbruch diskutiert wurde. Als es endlich tatsächlich soweit war, lag der Italiener Vittorio Brambilla in Front. Nachdem er als Erster die schwarzweiß karierte Flagge gesehen hatte, jubelte er beidhändig – und crashte seinen March in die Boxenmauer. Es solle Brambillas einziger Sieg in seiner Karriere bleiben. Pole-Sitter Lauda kam einen Platz vor seinem Teamkollegen Clay Regazzoni ins Ziel und benötigte bei den kommenden Rennen bloß noch einen einzigen Punkt für seinen ersten WM-Titel.

1978: Regenschlacht

Das Rennen begann feucht, wurde nass und endete für die neun Autos, die zum Schluss noch übrig waren, im Trockenen: 1987 war das Rennen mit den meisten Drehern, Verbremsern, Ausrutschern und Hoppalas. Aufkommender Regen machte die Strecke zur Rutschbahn. Dass viele Autos nach ihren Ausflügen in die Wiese Erde zurück auf die Fahrbahn brachten, half auch nicht. (Kiesbett waren am Österreichring zu dieser Zeit noch unbekannt.) In der achten Runde wurde das Chaos so schlimm, dass man das Rennen unterbrechen und neu starten musste. Noch gleich beim Re-Start ging das bunte Materialverformen weiter – mit Unfällen noch auf der Startgeraden. Erst zum Schluss beruhigte sich der Rennverlauf ein wenig. Es siegte Ronnie Peterson auf Lotus.

1982: Windschatten für Colin Chapman

Der alte Österreichring mit seinen langen Geraden war immer gut für Windschatten-Duelle, eine durch moderne Aerodynamik völlig verlorengegangene Kulturtechnik. Man ließ sich vom Vordermann ziehen, steckte seine Nase im letzten Moment in die Luft und zog vorbei. Besonders gut ging das natürlich in der Turbo-Ära, wo man zusätzlich am Dampfrad drehen und im Bedarfsfall extra Leistung abrufen konnte. Allerdings war es mit der Haltbarkeit der Turbo-Motoren 1982 noch nicht weit her, und so mussten die Turbo-Piloten Ricardo Patrese, Nelson Piquet, René Arnoux und Alain Prost einer nach dem anderen aufgeben. Um den Sieg kämpften so überraschender Weise Elio de Angelis im Lotus und Keke Rosberg im Williams, beide mit Saugmotoren im Heck. Die beiden überquerten die Ziellinie nahezu parallel: Gerade 12/100 Sekunden konnte der Italiener auf den Finnen retten. Es war der letzte Sieg, den Lotus-Gründer Colin Chapman erleben sollte: Im Winter 82 starb er an Herzversagen.

1984: Niki unsterblich

Ganz Österreich zitterte geistig mit: Noch nie hatte ein Österreicher den Heim-GP gewonnen, noch nie wäre es so wichtig wie diesmal: Niki Lauda kämpfte im McLaren Porsche einen erbitterten Kampf gegen seinen Teamkollegen Alain Prost und Nelson Piquet im Brabham mit dem ultra-starken BMW-Motor. Das Thema Prost hatte sich an diesem Sommersonntag bald erledigt, aber Piquet holte im letzten Renndrittel massiv auf den in Führung liegenden Lauda auf. Was keiner wusste: Laudas Getriebe hatte ein paar Gänge verloren. Piquet hielt das geringe Tempo allerdings für eine Finte des Österreichers und steckte ebenfalls zurück. Zu Saisonende sollte Lauda einen halben Punkt Vorsprung auf Prost haben. Mit ein wenig Phantasie kann man sagen: Lauda hat seinen dritten WM-Titel in Spielberg gewonnen.

1987: Das große Crashen

Das Wochenende, das das letzte auf der ursprünglichen Strecke des ultra-schnellen Österreichrings werden sollte, begann mit einer Kollision des McLaren-Fahrers Stefan Johansson mit einem Reh. Im Rennen selbst brauchte es drei Startversuche, um die Piloten überhaupt auf die Reise zu schicken. Bei der ersten Startkarambolage auf der welligen Start-Ziel-Geraden torpedierte Martin Brundle mehrere Kollegen, während beim zweiten Versuch das Feld auf die schlecht gestarteten Nigel Mansell und Gerhard Berger auflief. In Summe wurden bei den beiden Kollisionen mehr als zehn Autos beschädigt – und das, noch ehe das Rennen so richtig begonnen hatte. Fürs Protokoll: Gewonnen hat dann übrigens Nigel Mansell auf Williams Honda.

1997: Wiedergeburt

Der Österreichring ist Geschichte, der A1 Ring, benannt nach einem österreichischen Mobilfunk-Unternehmen, die Gegenwart: Deutlich kürzer als die Originalstrecke, aber viel übersichtlicher. Die Passage nach Flatschach fiel der neuen Realität zum Opfer, damit auch die Mut-Passage Hella-S und die schnellste Gerade der Formel 1 am Schönberg, auf der zum Schluss Tempo 350 ge- golten hatte. Die Fans nahmen die neue Zeit dankbar an, und die Piloten genauso: Erster Sieger auf der Strecke mit dem bis heute gültigen Layout war Jacques Villeneuve im Williams-Renault, in der Steiermark bis heute ein Publikumsliebling.

1999: Erfolglose Aufholjagd

Michael Schumacher war nach seinem Silverstone-Unfall mit gebrochenen Beinen out, für Ferrari fuhren Eddie Irvine und Mika Salo. Eine vermeintlich einfache Übung also für die überlegenen McLaren Mercedes von Mika Häkkinen und David Coulthard, die auch in der ersten Reihe starteten: Im Qualifying waren sie über eine Sekunde schneller gewesen als der Rest der Welt. Im Rennen allerdings drehte Coulthard Teamkollegen Häkkinen in der zweiten Bergauf-Kurve um, der Finne musste das komplette Feld ziehen lassen, bevor er nachstürmen konnte. Dank klügerer Strategie überholte Irvine später Coulthard, und der mächtig angasende Häkkinen sorgte zwar für die Show des Wochenendes, konnte aber nicht mehr zur Spitze aufschließen. Überraschungssieger: Eddie Irvine aus Irland, und in Maranello läuteten die Glocken.

2002: „Let Michael pass for the Championship!“

Das WM-Duell in diesem Jahr lautete Schumacher auf Ferrari gegen Häkkinen auf McLaren Mercedes. Allerdings hatte an diesem Tag Schumachers Wasserträger Rubens Barrichello den besseren Tag erwischt und lag bis in die letzte Runde sicher in Führung. Da ereilte ihn der heute berühmt gewordene Befehl vom Ferrari-Kommandostand: „Let Michael pass for the championship.“ Der Brasilianer gehorchte trotzig in der letzten Kurve, unter lauten Buhrufen der österreichischen Zuschauer. Kein Sieg in Spielberg hat jemals schaler geschmeckt. Dabei hätte Schumacher dieses Geschenk ohnehin nicht gebraucht: Bereits sechs Rennen vor Schluss sollte er sich in diesem Jahr zum Weltmeister krönen. Die Teamorder-Farce war demütigend, auch und vor allem für ihn. Dermaßen platte Stallorder hat es seither nie wieder gegeben.

 

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