Jedermann begeistert
29.07.2010
Das Face-Lifting beim neuen Jedermann ist geglückt!
Birgit Minichmayr und Nicholas Ofczarek, die Titelhelden im Jedermann 2010 sind
neu, die Botschaft bleibt die alte: Wein, Weib und Gesang solange die Party
steigt. Ist die Partytime für immer beendet, so sind Herzdame und Freunde
schnell über die Berge.
Ofczarek verkörpert einen sehr jungen Titelhelden, der die Macho-Rolle des
Jedermanns perfekt verkörpert. Minichmayr wirkt dagegen etwas schlicht in der Rolle
als Buhlschaft. Kein Wunder, habe ihre Vorgängerinnen der letzten Jahre - allen
voran Veronica Ferres - doch sehr hoch gelegt. Der Jedermann des Hugo von
Hofmannsthal hat seit seiner Erstinszenierung 1920 nichts an Aktualität
verloren. Jedermann, ein Lebemann, prahlt mit seinem Reichtum, wirft Parties
und hat für die Armen nichts über. Moral und Vergänglichkeit scheinen ihn nicht
zu berühren. Mitten im Gelage mit seinen Freunden und der Buhlschaft bahnt sich
sein Tod an. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes - es war übrigens in der
NS-Ära verboten - mag mitunter auch ein Spiegel genau jener Gesellschaft sein
die sich bei den Side-Events der Festspiel die Klinke reichen. Die Frage die
bleibt ist, ob sie das Mysterienspiel nur beklatschen oder wirklich richtig
verstanden haben.
Alles neu also beim heurigen „Jedermann“: Nicholas Ofczarek
schlüpft in die Rolle des legendären Salzburger "Jedermann". Birgit
Minichmayr spielt die neue Buhlschaft.
Vor allem für den neuen Jedermann liegt die Latte hoch. Der 39-Jährige
Ofczarek folgt dem souveränen Peter Simonischek, der zuletzt mit Sophie
von Kessel in dieser Rolle glänzte. Zuvor an seiner Seite: Veronica Ferres
(2002-04), Nina Hoss (2005-06), Marie Bäumer (2007). Ofczarek hat die
Kulturbegeisterung wohl schon mit der Muttermilch verabreicht bekommen: Seine
Eltern waren Opernsänger, und er lebte mit ihnen mehrere Jahre in Graz und in
der Schweiz. Auf den Vorschlag der Eltern, die meinten, dass er für das
Schauspiel mehr Talent zeige als fürs Singen, entschied er sich für eine
Schauspielkarriere. Nach der Matura und der schauspielerischen Ausbildung am
Konservatorium verbrachte er zwei Jahre in der freien Wiener Theaterszene
(Theater in der Drachengasse), bis ihn dann Claus Peymann 1994 für eine Rolle
ins Burgtheater holte, die er nie spielte. Erst eineinhalb Jahre und einige
kleinere Rollen später wurde Claus Peymann wirklich auf ihn aufmerksam und
begann ihn zu fördern. Er ist mit der österreichischen Schauspielerin Tamara
Metelka verheiratet und hat eine Tochter.
Birgit Minichmayr, 1977 in Linz geboren, hat sich bei den Festspielen bereits
in Andrea Breths Inszenierung von Schnitzlers "Das Weite Land"
(2002/03) einen Namen gemacht. Die in Pasching aufgewachsene Schauspielerin
wurde nach ihrer Matura am Max-Reinhardt-Seminar in Wien ausgebildet, unter
anderem von Klaus Maria Brandauer, mit dem sie immer wieder zusammenarbeitet.
Schon während ihrer Ausbildung wurde sie am Burgtheater in Wien engagiert. Dort
debütierte sie 1999 als Dirne in Schnitzlers Drama Der Reigen. Bei der
Berlinale 2001 wurde sie als „Shooting Star“ präsentiert. 2004 spielte sie als
Gast bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen die Hauptrolle in Frank Castorfs
Inszenierung Gier nach Gold, die in einer Ko-Produktion mit der Volksbühne am
Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin entstand. Nach dieser Zusammenarbeit mit Castorf
entschloss sie sich, nach Berlin an die Volksbühne zu gehen. Seit der Saison
2004/2005 ist sie dort Ensemblemitglied. 2005 spielte sie in Tom Tykwers Großproduktion
Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders, der Verfilmung des gleichnamigen
erfolgreichen Romans von Patrick Süskind, die Mutter der Hauptfigur,
Jean-Baptiste Grenouille. Birgit Minichmayr wohnt in Berlin und Wien. Seit 2007
spielt sie wieder regelmäßig am Burgtheater; ihre erste Rolle war der Narr in
König Lear. 2008 spielte sie an der Burg u. a. den Weibsteufel und Lady
Macbeth. 2009 ist sie in Maren Ades Film Alle Anderen gemeinsam mit Lars
Eidinger als ungleiches Liebespaar zu sehen und erhielt dafür den
Darstellerpreis der 59. Berlinale, für den unter anderem Michelle Pfeiffer und
Renée Zellweger nominiert waren.