Salzburger High-Tech Projekt gegen Radunfälle

09.05.2023

Realerprobung in Stadt und Land Salzburg

Bike2CAV Testfahrt (c) Salzburg Research wildbild
KI jetzt auch am Bike

Verkehrsunfälle mit Fahrrädern nehmen seit Jahren stetig zu. 2015 verzeichnete die Verkehrsunfallstatistik der Statistik Austria 6.901 Verkehrsunfälle mit Fahrrädern, 2021 waren es bereits 9.578. Die Anzahl der getöteten Radfahrenden pendelte in diesem Zeitraum von 32 bis 50 Personen pro Jahr. Die Unfälle mit anderen beteiligten Fahrzeugen ereigneten sich dabei meist bei einer Abbiegesituation in einem Kreuzungsbereich, wobei das Fahrrad im überwiegenden Fall geradeaus fuhr. Salzburg Research arbeitet jetzt an einem Projekt, bei dem High-Tech genau diese Unfälle reduzieren soll.

Vernetzung und Automatisierung von Fahrzeugen bieten eine große Chance, auch die Sicherheit von Radfahrenden zu erhöhen. In Salzburg wurden erstmals drahtlose Kommunikationskanäle zwischen unterschiedlichen Fahrzeugen, Fahrrädern und der Infrastruktur unter realen Bedingungen geprüft. Forschende aus Österreich und Deutschland haben eine Methode für die kooperative Erkennung von Kollisionsrisiken erprobt und Warnkonzepte für Radfahrende entwickelt. 

Neueste technologische Entwicklungen im Bereich der Fahrzeugkommunikation mittels ITS-G5, der Fahrradlokalisierung, der Umfeldwahrnehmung des vernetzen und automatisierten Fahrzeugs mittels Kamera und LiDAR-Sensorik sowie bei straßenseitiger Sensorik mit Kameras schafften die Grundlagen für kooperative Lösungsansätze zur Detektion und Vermeidung von Kollisionsrisiken. Verletzliche Verkehrsteilnehmende wie Fahrradfahrende sollen dabei nicht nur erkannt, sondern aktiv in die Kollisionsvermeidung mit einbezogen werden. 

Radfahrende werden frühzeitig vor Kollisionen gewarnt, um gefährliche Situationen zu erkennen und Unfälle zu vermeiden. Vernetzte Fahrzeuge und Fahrassistenzsysteme können Radfahrende durch eine verbesserte Detektionsqualität sowie aktive Kommunikation zuverlässiger erkennen und können frühzeitig reagieren.

Kommunen und Infrastrukturbetreiber erhalten objektive Bewertungen von Risikozonen an Verkehrsknotenpunkten und können diese durch gezielte Maßnahmen vorbeugend entschärfen.

Realerprobung in Stadt und Land

Bei den Experimenten an den mit smarter Sensorik ausgestatteten Testkreuzungen Weiserstraße/Gabelsbergerstraße in der Stadt Salzburg und an der B158 in der Salzburger Gemeinde Koppl kamen ein vernetztes, automatisiertes Fahrzeug sowie ein neuartiges vernetztes Forschungsfahrrad zum Einsatz.

Getestet wurde die Erkennung von Kollisionsrisiken, die Generierung und Aussendung von Warnmeldungen sowie die Kommunikation an Radfahrere sowie sonstige Verkehrsteilnehmende.

Mittels umfangreicher Sensorik sollen Radfahrende durch die Infrastruktur visuell erkannt und verfolgt werden. “Unser eingesetztes kamerabasiertes KI-Detektionssystems zur Erkennung und Klassifikation von Kraftfahrzeugen und Fußgängernwurde auf die Erkennung von Radfahrenden erweitert und optimiert. Zudem wurde für die V2X-Kommunikation der Entwurf des Nachrichtenformats collective perception message für die Übertragung der Informationen von detektierten Verkehrsteilnehmenden erfolgreich getestet“, sagt Alexander Paier von Kapsch TrafficCom. 

Erkennung von Radfahrenden durch Fahrzeuge: 

Basierend auf Machine-Learning-Methoden wurde eine Intentionserkennung von Radfahrenden umgesetzt und dadurch eine bessere Pfadvorhersage und Bestimmung von Kollisionsrisiken ermöglicht. „Besonders die visuelle Bestimmung der Körperhaltung und Handzeichenerkennung sind wichtig für eine zuverlässige Bewegungsvorhersage“, so Martin Fletzer vom AIT - Austrian Institute of Technology.

Warnkonzepte für Radfahrende: 

Die Anforderungen an nicht-ablenkende Warnungen vor Kollisionsrisiken zwischen einem Fahrzeug und Radfahrenden wurden in einem Co-Creation-Prozess mit Lead-Usern identifiziert. Unterschiedliche Warnungsmodi – akustisch, visuell und taktile Warnsignale – wurden mittels einer Navigations-App am Smartphone, Vibration an der Lenkstange und akustischen Signalen im Helm konzipiert und getestet. „Die Radfahrenden empfanden vor allem auditive Warnungen als hilfreich, besonders in Situationen, in denen sich ein Fahrzeug von hinten nähert“, sagt Cornelia Zankl von Salzburg Research.

In allen sechs getesteten Szenarien konnten riskante Situationen mit Kollisionsrisiko nachgestellt und Kollisionswarnungen erzeugt werden.

„Zusammenfassend können wir bestätigen, dass Kollisionsrisiken mit dem gewählten Ansatz kooperativ erkannt werden können. Die Anbindung unterschiedlicher Datenquellen und die Verarbeitung der großen Datenmengen gestaltete sich jedoch noch sehr aufwendig. Die durchgeführten Tests waren auf prototypischer Ebene erfolgreich, für einen realen Einsatz sind jedoch noch Weiterentwicklungen bzw. Optimierungen erforderlich.“, fasst Projektleiterin Cornelia Zankl von Salzburg Research zusammen. 

Boréal Bikes stellte das Holoscene Edge Bike bereit – ein Forschungsrad ausgerüstet mit modernster Technologie für Konnektivität, Edge-Computing und Human-Machine-Interface. Das Fahrrad ist mit vergleichbaren Sensoren ausgestattet, die auch in autonomen Fahrzeugen neuester Generation zu finden sind. Die Sensorik umfasst fünf Kameras für eine vollständige 360-Grad-Surround-Ansicht und fünf LiDAR-Sensoren für räumliche Informationen aus der Umgebung. Der Zweck des Fahrrads besteht darin, Sensoren und Komponenten, die in einem intelligenten Transportsystem (ITS) verwendet werden, mit zuverlässigen Basisdaten aus der Fahrradperspektive zu erweitern. Diese Datensätze aus der Sicht des Fahrrads ermöglichen die Entwicklung und Einbindung des Fahrrads in intelligente Verkehrssysteme sowie die Validierung ebensolcher Technologien.

Das Austrian Institute of Technology (AIT) rüstete ein VW T-Roc mit erforderlicher Sensorik aus: Kameras für die Umgebungswahrnehmung, GNSS-Receiver für die Lokalisierung und eine On-Board-Unit (OBU) für die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmenden und der Infrastruktur. Neben dem Einsatz als Fahrzeug für Demonstrationszwecke, ist solch ein Fahrzeug eine ideale Möglichkeit für Aufnahmen in realen Verkehrssituationen. Dadurch können die erforderlichen Trainingsdaten für neuronale Netze gesammelt werden.

Kapsch TrafficCom installierte straßenseitige Infrastruktur für V2X-Kommunikation und KI-basierte Videoanalyse. V2X ITS-G5 Roadside Units ermöglichen die Kommunikation mit Fahrrad und dem Connected Automated Vehicle (CAV). Auch die Daten der Videoanalyse werden über die RSU an die Verkehrsteilnehmenden und eine zentrale Plattform übermittelt. Für die Videoanalyse wurden zwei verschiedene Kameras eingesetzt. Neben einer üblichen Kamera mit einem Blickwinkel von ca. 90° kam eine 180°-Kamera zum Einsatz, die einen besseren Überblick über die gesamte Kreuzungssituation ermöglicht. Die Prozessierung der Videos erfolgte direkt vor Ort in einem Controller (Edge Computing).

Salzburg Research modelliert in digitalen, hochauflösenden Karten (HD-Maps) das Straßennetz in sehr hoher Qualität. Diese Karten werden zur Analyse von Bewegungsabläufen von Radfahrerenden auf Verkehrsknoten eingesetzt und unter anderem für das Referenzieren (Map-Matching) von Trajektorien, die die Fahrspuren von Fahrzeugen oder Fahrrädern zeigen, oder für die Prognose von Intentionen wie Abbiegemanövern, verwendet.

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