AKW in Deutschland - neue Gefahr droht
29.07.2013
Vor einer neuerlichen Bedrohung durch deutsche Atomkraftwerke warnt jetzt Heinz Stockinger, Vorsitzender der Plattform gegen Atomgefahren (Plage). Zur Erinnerung: Es war im März 2011 als im japanischen Fukushima das Atomkraftwerk in die Luft flog und die Umwelt für Generationen verseucht. Die Aufregung und die Angst auch um die benachbarten AKW´s in Deutschland und Tschechien war groß. Vor allem die heimische Politik versprach viel – doch inzwischen ist das ganze Thema schon wieder von der Bühne und totgeschwiegen.
Die Kritik der „Plage“ im Detail: RWE und EON, die Betreibergesellschaften des bereits leistungsstärksten deutschen Atom-kraftwerkes im bayerischen Gundremmingen, streben bereits seit Ende des vergangenen Jahrhunderts (1998) eine Leistungserhöhung der beiden dortigen Reaktoren an. Diese just nach dem deutschen Atomausstiegsbeschluß der Regierung Merkel tatsächlich zu genehmigen, wäre, so Heinz Stockinger von der Salzburger Plattform gegen Atomgefahren (PLAGE), „der Gipfel der energiepolitischen Absurdität – die Energiwende auf den Kopf gestellt“.
„Ganz unmittelbar hieße Leistungserhöhung auch Risikoerhöhung. Und zwangsläufig auch für Salzburg und ganz Österreich.“ Diese Hausverstandserkenntnis fand PLAGE-Obmann Stockinger bei einer kürzlichen Versammlung des FORUM gegen AKW und Zwischenlager Gundremmingen fachlich eindrucksvoll bestätigt. Dort referierte Prof. Wolfgang RENNEBERG, von 1998 bis 2009 Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit, Strahlenschutz und Entsorgung des deutschen Bundesumweltministeriums, zu den konkreten Folgen einer solchen Leistungserhöhung. Sein Resümee: praktisch alle wesentlichen Anlagenteile eines ohnehin schon gealterten Kraftwerks – Baulinie 1972, Fertigstellung 1984 – werden stärkerem Streß ausgesetzt. Womit die Risiken überproportional anwachsen: mit jedem Megawatt Leistung mehr geraten die Schwachstellen der beiden Reaktoren mehr unter Druck, so wie die Gefahr für jeglichen geschwächten Organismus bei steigender Belastung nicht bloß linear ansteigt.
Besonders dramatisch wird diese Grundtatsache nun aber durch die Art und Weise, wie die Vorstufen des Genehmigungprozesses abgewickelt werden: Der süddeutsche TÜV hat die Leistungserhöhung für sicherheitstechnisch in Ordnung befunden. Wie Prof. Renneberg ausführte, beurteilte der TÜV die Maßnahme dabei allerdings aus der Perspektive des Standes der Technik, der zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme vor 30 Jahren galt. Diese Ausblendung von 30 Jahren Sicherheitslektionen (Harrisburg, Tschernobyl, Fuku-shima!) kann der TÜV zwangsläufig nur mit abenteuerlichen Verrenkungen argumentieren, zumal das deutsche Atomgesetz für Nachrüstungen den aktuellen Stand der Technik einfordert. Diese Unbedenklichkeitserklärung des TÜV-Süd ist sogar von der alles andere als atomgegne-rischen Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) kritisiert worden.
Doch „das Bayerische Umweltministerium als oberste Genehmigungsinstanz wird wohl im Sinn von RWE/EON und TÜV die Leistungserhöhung ohne nennenswerte – und teure – Nachrüstun-gen auf den heutigen Stand der Technik bewilligen,“ nimmt Reaktorsicherheitsexperte Renneberg an, wenn keine nennenswerten Bedenken von außen kommen.
Sowohl Prof. Renneberg als auch der Anwalt des FORUM, Dr. Bernd TREMML, bejahten auf Anfrage des Salzburger PLAGE-Vertreters, daß die bayerische Staatsregierung die Leistungserhöhung bei offiziellen Bedenken aus Österreich nicht so leicht durchwinken würde. Es wäre auch wichtig, an das deutsche Bundesumweltministerium (BMU) heranzutreten. Dieses müsse von Gesetz wegen nicht Stellung beziehen, habe jedoch die Möglichkeit dazu. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit würde das BMU die Vorbehalte der GRS aufgreifen und so die Bayerische Regierung zu bedachterem Vorgehen bei einer eventuellen Genehmigung der Leistungserhöhung veranlassen.
Die PLAGE ersucht die Salzburger Landesregierung in Schreiben an Landeshauptmann Haslauer und LH-Stellvertreterin Rössler – die als Umweltlandesrätin direkt zuständig ist –, entsprechende Bedenken bzw den Protest des Landes bei der Bayerischen Staats-regierung in München und beim BMU in Berlin anzumelden. Weiters solle Salzburg die Bundesregierung in Wien um ähnliche vorbeugende Schritte ersuchen.