Wildshuter Feldgespräche: "Unser täglich Brot"
14.11.2016
Das Korn steht am Anfang der Zivilisationsgeschichte. Der Bauer säte Weizen, Einkorn, Emmer, Roggen, Dinkel und Gerste und konnte – wenn alles gut lief – eine gute Ernte einbringen. Und so ist Brot seit den ersten Hochkulturen die Hauptnahrungsquelle der Menschen. Per Zufall wurde dabei auch das Bier „entdeckt“. Und: es gibt wohl kaum ein Lebensmittel mit einer derart tiefen symbolischen Bedeutung: Brot steht für das Leben an sich, ist Sinnbild für Nahrung und noch dazu ein „Genussmittel“. Brot verlor allerdings im Laufe der Geschichte mehr und mehr an Wert – was zählte, war nur noch der Preis. Und die Bäcker? Sie verloren ihr handwerkliches Wissen. Jährlich sperren von ihnen in Österreich zwischen 30 und 50 zu. Backwaren – mit vielen Zusatzstoffen - laufen mehr und mehr vom Band und werden nur noch aufgebacken.
In der von Stiegl neu initiierten Gesprächsreihe „Wildshuter Feldgespräche“ diskutieren kompetente Gäste wie Slow Food-Botschafterin für Lebensmittel und Brot-Expertin Barbara van Melle, Pater Virgil Steindlmüller OSB, Prior der Erzabtei Stift St. Peter, die seit 1160 die Stiftsbäckerei St. Peter betreibt, Tauernroggen-Bauer Peter Löcker (vom Biohof Sauschneider), Bio-Bäcker Jakob Itzlinger (Faistenau/Salzburg), Matthias Bauer, Sortimentsmanager für Brot, Anton Haubenberger, Geschäftsführer von Haubis, dem nieder-österreichischen Traditionsbäcker mit rund 800 Mitarbeitern und Stiegl-Kreativbraumeister Markus Trinker das Thema „Unser täglich Brot . Backmischungen, Teiglinge, 15-Cent-Semmerl: Wird das Backhandwerk zur Nische?“.
Schon jetzt sperren in Österreich jedes Jahr zwischen 30 und 50 Betriebe zu. 2005 gab es in Österreich noch 1.920 Bäcker. 2015 waren es nur noch 1.532. Das entspricht einem Rückgang von 20 Prozent (Quelle: KMU Forschung Austria, Fach-/Berufsgruppenmitglieder, Mai 2016). Ein Trend, der durch die 15-Cent-Semmel im Supermarkt, die quasi Symbol des bedingungslosen Preiskampfes mit dem Handel ist, weiter zunehmen wird. „Viele Bäcker haben ganz einfach den Zug der Zeit verpasst. Dass Verdrängungswettbewerb und Preiskampf weitergehen und auch in den nächsten Jahren viele ihre Türen für immer schließen werden, steht außer Zweifel“, ist Barbara van Melle überzeugt. Sie ergänzt jedoch, dass das Pendel auch in die andere Richtung zurückschlage: „Zunehmend mehr Menschen sehnen sich nach gutem Brot, das so schmeckt wie früher und in dem nichts drin ist, was nicht ins Brot gehört. Während Berichte über zugesetzte Enzyme im Brot neue Verunsicherung schüren, erleben handwerklich arbeitende Bäcker einen wahren Boom.“ Und Bio-Bäcker Jakob Itzlinger ergänzt: „Die Bäcker müssen Nischen finden, wenn sie überleben wollen.“
Der Bio-Bäcker Jakob Itzlinger hat schon lange vor der Existenz der strengen Bio-Richtlinien nach biologischen Kriterien gebacken und gewirtschaftet. Er setzt nur Rohstoffe ein, die ohne Kunstdünger, Pestizide, Herbizide und Fungizide erzeugt werden. Getreide, Mehl und Brot haben in der Familie Itzlinger eine lange Tradition, denn die Itzlingers waren Müller (Karlmühle am Faistenauer Brunnbach). Seit Generationen ließen Bauern aus der Region in der Karlmühle ihr Getreide vermahlen. Einen Teil dieses Mehls, den „Müllerslohn“, durfte sich der Müller behalten. „Als ich dann 1983 die Mühle meines Vaters übernahm, war es mir wichtig, dem Brot seine ursprüngliche Kraft und Vollwertigkeit durch das ganze Korn wiederzugeben. Und so wurde ich eben Bio-Bäcker“, erklärt Jakob Itzlinger. Heute arbeiten in der Karlmühle 20 Menschen, die damit beschäftigt sind, über 60 verschiedene Brot- und Gebäcksorten zu formen und zu backen. Itzlinger denkt auch in Kreisläufen. „Wir nutzen die Wasserkraft des Brunnbaches für unsere eigene Stromerzeugung“, so der engagierte Bio-Bäcker.
Es braucht also schlichtweg Vor- und Weiterdenker, die nicht die katastrophalen Zustände beklagen, sondern die Ärmel hochkrempeln und zeigen, wie es auch anders geht. Entscheidend sind – wie so oft – die Zutaten. „Je einheitlicher die Brotgetreidesorten werden, umso einheitlicher wird auch das Brot schmecken“, ist Peter Löcker vom Biohof Sauschneider überzeugt. Er kultiviert mit seiner Frau Liesi in St. Margarethen im Lungau (Salzburger Land) verschiedene Getreidesorten, aus denen am eigenen Hof Brot gebacken wird. Darunter ist auch der legendäre, beinahe ausgestorbene Lungauer Tauernroggen. Diese alte Sorte wurde von „Slow Food“ auch als „Presidio“, d.h. als besonders schützenswert, ausgezeichnet. Am Sauschneiderhof wird daraus ein herzhaftes Natursauerteigbrot im Steinofen, nach altem Rezept gebacken. Liesi Löcker lässt sich bei der handwerklichen Herstellung ihres Brotes – abseits industrieller Produktion und fragwürdiger Hilfsmittel - gerne über die Schulter schauen. „Wir legen großen Wert auf einen nachhaltigen Landbau und sind davon überzeugt, dass dem Boden als Grundlage der Fruchtbarkeit und Gesundheit eine besonders wichtige Bedeutung zukommt“, erklärt Peter Löcker.
Brot-Geschichte: Reise in die Frühzeit der Menschheit
„Brot ist eines der ältesten, von Menschenhand hergestellten Nahrungsmittel. Es spielte auch in der Religion, im Brauchtum und in manch anderen Bereichen menschlichen Lebens eine wichtige Rolle“, weiß Historiker DDr. Gerhard Ammerer von der Universität Salzburg. Wer sich also mit Brot beschäftigt, begibt sich auf eine Reise in die Frühzeit der Menschheit. Im Zuge der Neolithischen Revolution, die vor rund 10.000 Jahren begann, wurden aus umherstreifenden Jägern und Sammlern sesshafte Bauern. Der Mensch ließ sich nieder und baute Nutzpflanzen – vor allem Getreide - an. In der Frühphase des Ackerbaus wurden die geernteten Körner zerstoßen und mit Wasser zu einem Brei verarbeitet und roh gegessen. Die Ägypter waren die Ersten, die die Kunst des Brotbackens kultivierten. Zwei Entdeckungen machten schließlich aus den harten Getreidekörnern schmackhafte und auch bekömmliche Nahrung: der Bau von Backöfen und die Wirkung von Hefe und Sauerteig als Triebmittel. Gesäuertes Brot war im Land am Nil schon vor etwa 6000 Jahren bekannt. In Ägypten entstanden auch die ersten Großbäckereien der Geschichte. Darum trugen die Ägypter auch den Beinamen „Brotesser“. Die Entdeckung des Gärprozesses ermöglichte es ihnen, aus Teig Brot – wie wir es heute kennen – zu backen: mit lockerer Krume und fester, dunkler Kruste. Von Archäologen wurde am Bieler See in der Schweiz etwa ein mehr als 5000 Jahre alter Brotlaib gefunden, der sich von Aussehen und Qualität kaum von unseren heutigen Erzeugnissen unterscheidet. „Besonders interessant an diesem steinzeitlichen Brot ist, dass es bereits mit Sauerteig zubereitet war“, so Ammerer.
Einen enormen Schub erhielt die Brotproduktion dann im Mittelalter in Europa. Das Handwerk des Bäckers wurde immer professioneller und bald schon wurde die Bäckerzunft zu einer der wichtigsten überhaupt. Der Anteil des Brotes an der Ernährung lag bei 75 Prozent des täglichen Kalorienverbrauches. Dunkles Brot aus Roggen und Dinkel galt als Brot der Armen. Das nährstoffarme Weißbrot war den Reichen vorbehalten.*
Als „Rohstoff“ Brotgetreide eignen sich am besten Weizen, Roggen und Gerste. Diese Arten enthalten backfähigen Kleber und entwickeln jene Eigenschaften, die das Backen von Brot erst ermöglichen und den Teig aufgehen lassen. „Im Salzburger Alpenraum wurde am meisten der kaum zur Brotzubereitung verwendete Hafer angebaut, was einerseits den klimatischen Bedingungen entsprach und andererseits auch als Grundlage für die bedeutende Salzburger Pferdezucht benötigt wurde. Als hauptsächlich kultivierte Brotfrucht diente der Roggen, der bis in eine durchschnittliche Höhe von 900 Metern angebaut wurde. Eine der wichtigsten kleinen Kornkammern Salzburgs war das nach 1800 verloren gegangene Gebiet des heute bayrischen Rupertiwinkels“, so der Historiker, der ergänzt, dass die Getreidemengen in Salzburg anno dazumal nicht zur Deckung des Binnenbedarfs ausreichten. Jahr für Jahr mussten viele tausend Tonnen Brotgetreide aus Oberösterreich und Bayern zugekauft werden, um die Ernährung des Landes zu sichern. Heute liegt der Selbstversorgungsgrad mit Getreide bei rund 95 Prozent. Angebaut wurden 2014/2015 in Österreich rund 5,7 Millionen Tonnen Getreide - hauptsächlich Weichweizen, Hartweizen, Roggen, Gerste, Hafer, Körnermais und Triticale, einer Kreuzung aus Weizen und Roggen (Quelle: Statistik Austria, Versorgungsbilanz, 29.4.2016).
Bier ist flüssiges Brot
Auch Stiegl schenkt dem Boden auf seinem Gut Wildshut, das die Stiegl-Inhaber Heinrich Dieter und Alessandra Kiener vor gut einem Jahr bei St. Pantaleon aus der Taufe gehoben haben, große Aufmerksamkeit, denn für die Privatbrauerei beginnt Bierbrauen schon dort. Kultiviert werden in Vergessenheit geratene Urgetreidesorten, die in dieser Region gut gedeihen und gleich vor Ort vermälzt, zu Bier verbraut und neuerdings auch zu einem Edelbrand gebrannt werden. Das ist einzigartig in Österreich. „Auf unserem Gut leben wir Kreislaufwirtschaft und Artenvielfalt“, erzählt Kreativbraumeister Markus Trinker, der ergänzt, dass das Brauerhandwerk einiges mit dem des Bäckers gemein habe: „Um ein gutes, klassisches Holzofenbrot zu backen, genügen, wie beim Bier auch, die Grundzutaten Getreide, Wasser und Hefe. Natürlich geht es nicht ohne ‚Gewürz‘: Beim Bier haben wir den Hopfen. Beim Brot sorgt eine Prise Salz für ein perfektes Ergebnis. Der Braurückstand - unser Bio-Treber – eignet sich dann übrigens auch als schmackhafte Zutat beim Brotbacken.“
Sortenspiel, Gmahde Wiesn, Männerschokolade & Edelbrand
Das „Wildshuter Sortenspiel“ ist eine hell-honigfarbene, obergärige Bio-Bier-Spezialität mit 12 Grad Stammwürze, gebraut aus feinstem Wildshuter Urgetreide mit einer frischen, hefeblumigen Note. Das vollmundige, milde Bier präsentiert sich samtig weich auf der Zunge mit harmonischem Ausklang. 5 % vol. Alkohol.
Die „Wildshuter Gmahde Wiesn“ versteht sich als gewagte, aber gelungene Bio-Komposition aus verschiedensten Malzsorten, Kräutern und Hopfen. Diese 12grädige, untergärige Bierspezialität duftet nach frischen Kräutern, Zitrus und Getreide, die fein eingebundene Kohlensäure wirkt frisch am Gaumen und die dezente Malznote sorgt für den vollen Biergenuss. 4,9% vol. Alkohol.
In der „Wildshuter Männerschokolade“ kombiniert Kreativbraumeister Markus Trinker verschiedene Malzsorten mit feinstem, selbst angebautem Schwarzhafer, ebenfalls in Bio-Qualität. Mit einer reichhaltigen, cremigen Schaumkrone duftet diese braunschwarze, obergärige Bierspezialität herrlich nach Schokolade und Mocca. Gehaltvoll, komplex und geschmeidig sorgt es für einen langen, intensiven Abgang. Mit 5,5% vol. Alkohol und 13,5 Grad Stammwürze.
Die jüngst entstandene Spezialität am 1. Biergut Österreichs ist der Wildshuter Edelbrand mit 40% vol. Alkohol. Er wird in liebevoller Handarbeit aus dem „Wildshuter Sortenspiel“ gebrannt. Die ganz besondere Note erhält der Edelbrand von den in Wildshut angebauten Urgetreidesorten.
Brotbacken und Bierbrauen: einst Frauensache
„Bei archäologischen Ausgrabungen wurden neben Keilschrifttafeln auch Überreste verschiedener Gefäße aus der Zeit vor über 5000 Jahren gefunden und diese bezeugen eindeutig: Schon am Anfang der Zivilisation stand vergorener Getreidesaft auf dem täglichen Ernährungsplan“, so Ammerer und ergänzt: „Die moderne Archäologie hat vor allem für den Vorderen Orient entscheidende Forschungsergebnisse erzielt, wobei die Fundorte von der Türkei über den nördlichen Iran bis hin zum Persischen Golf reichen. Kerngebiete sind Syrien und Mesopotamien, das zwischen Euphrat und Tigris gelegene Gebiet, in dessen Süden die Sumerer wohnten. Ergraben wurden dort Siedlungen, wo nach der Sesshaftwerdung der Menschen um ca. 10.000 v.Chr. Emmer, also der Vorfahre unseres Roggens, und das vom wilden Weizen abstammende Einkorn angebaut wurden. Ähnliche Funde gibt es auch in Jordanien, wo man auf Getreidelagergebäude aus der Zeit um 9000 v. Chr. stieß.“ Ein 2012 dort tätiges Team von kanadischen Nahrungsarchäologen um Brian Hayden hat für diesen Zeitpunkt den Beginn der Kulturgeschichte des Brauens bestätigt. Was aber außer den beiden Basiszutaten Emmer und Einkorn in den Tonkrügen der Sumerer vor sich hin braute, ist auch heute noch weitgehend unbekannt. Trotz der Fülle der Fundstücke und Überlieferungen, die auf frühe Vorlieben für Getränke aus vergorenem Getreide hinweisen, ist es schwierig, die alten Methoden der Brauer zu rekonstruieren (vgl. auch Wissenschaftshistoriker und Keilschriftexperte Peter Damerow, Max-Planck-Institut Berlin).
Vor rund 11.000 Jahren errichteten die Menschen Siedlungen, züchteten Vieh und begannen, Ackerbau zu betreiben. Experten vermuten, dass diese, noch bevor sie das erste Brot buken, entdeckten, dass sich aus Wasser und Getreide ein köstliches und berauschendes Getränk herstellen ließ: nämlich Bier. „Einige Forscher wie Brian Hayden gehen sogar davon aus, dass das Bier der eigentliche Grund für die Sesshaftwerdung war. Denn wer sein Feld bestellte, konnte Getreide ernten, Bier brauen und fröhliche Feste feiern“, weiß Ammerer.
Bier galt als Grundnahrungsmittel (vgl. „Die Bierbrauer von Babylonien“ von Elke Maier, 4/2011, Max-Planck-Forschung). Während die älteren Aufzeichnungen nur Gerste als Grundbestandteil erwähnen, wird danach auch Emmer als Inhaltsstoff beschrieben. Das Malz trockneten die Sumerer nicht über dem Feuer, sondern breiteten es auf sonnenbeschienenen Dächern aus. Hopfen war noch unbekannt. „Eine typische sumerische Mahlzeit bestand aus Brot, einer Suppe oder Grütze und einem Bier. Antike Darstellungen zeigen Männer wie Frauen, die Bier mittels langer Saugrohre aus riesigen Krügen trinken. Und: auch Kinder bekamen dieses Grundnahrungsmittel, denn es enthielt Vitamine und Mineralstoffe und war sicherer als das damalige Trinkwasser“, so der Historiker weiter, der zugleich festhält, dass das Bierbrauen Teil der häuslichen Tätigkeiten – und somit reine Frauensache – war. Schließlich waren es auch die Sumerer, die etwa 1.800 v.Chr. die erste Lobeshymne – gerichtet an die Göttin Ninkasi, in deren Zuständigkeit die Kunst des Bierbrauens fiel - auf das Bier verfassten. Dieser Text ist auch heute noch eine – wenn nicht „die“ - wichtigste Quelle für Forscher, um herauszufinden, wie der Gerstensaft damals hergestellt wurde.
Brot und seine rituelle, religiöse Bedeutung
Parallel zum Ackerbau bildeten sich religiöse Deutungsmuster und komplexe Glaubenstraditionen heraus, in deren Mittelpunkt die kultische Verehrung des jeweiligen Hauptnahrungsmittels stand. So wurde etwa in Ägypten und im keltisch geprägten Kulturraum Mitteleuropas das Brot zum Symbol für Leben in Fülle. Die heutigen Zivilisationen entspringen im Grunde genommen den ersten Kornkammern der Menschheit. Kultur konnte deshalb entstehen, weil die Ernährung durch den Anbau von Getreide gesichert war. D.h.: zuerst war das Korn und dann erst kamen Schrift und Kult (vgl. Markus Brauer, Stuttgarter-Zeitung.de, Oktober 2016).
„Ego sum panis vitae“
(„Ich bin das Brot des Lebens“, vgl. Johannesevangelium, Kapitel 6, Vers 35)
„In der Bibel wird Brot als symbolische Nahrung verstanden, die nicht „nur“ den Körper, sondern auch die Seele nährt. Christus, der Gesalbte, ist der Mittler zwischen Himmel und Erde, der als „lebendiges Brot“ vom Himmel kommt. Seinen sakralen Höhepunkt hat diese Brot-Symbolik im christlichen Abendmahl“, erklärt Pater Virgil Steindlmüller OSB, Prior des Salzburger Stift St. Peter. Brot und Leben wurden zu Synonymen: das tägliche Brot war gleichbedeutend mit dem täglichen Überleben, denn kein Brot zu haben bedeutete den sicheren Tod. Und so lautet die vierte und auch dringlichste Bitte im „Vater-unser“-Gebet „Unser tägliches Brot gib uns heute“.*
St. Peter betreibt seit 1160 eine Stiftsbäckerei, die heute bei Einheimischen überaus beliebt und bei Gästen eine begehrte Sehenswürdigkeit ist. „Das Besondere: Im holzbefeuerten Ofen backen wir ein Schwarzbrot aus einem Natursauerteig“, so der Prior, der ergänzt: „Authentizität und Langfristigkeit sind die zentralen Kriterien unseres Betriebes. Das Mehl haben wir aus unserer eigenen Stifts- und Salzachmühle, das Holz aus den Wäldern unseres Stiftes, die Energie aus dem Salzburger Almkanal und Verkaufslokal und Backstube sind eines. Man sieht, was man isst.“ Man kann davon ausgehen, dass die Mönche von St. Peter von der Gründung des Klosters an Brot gebacken haben. Einen wesentlichen Meilenstein stellt jedoch das Jahr 1160 dar: Ab dann wurde durch den Stollen im Mönchsberg Wasser aus dem Almkanal geleitet und somit der Betrieb eines Mühlrades und die Vermahlung von Getreide möglich. Damit kann der Beginn der Stiftsmühle und –bäckerei neben dem Friedhof von St. Peter festgesetzt werden. Eine Mühle bestand dort bis 1967 im hinteren und oberen Teil des Gebäudes.
Brot ist nicht gleich Brot
Dass in manchen Broten aus dem Supermarkt Zusatzstoffe enthalten sind, kann jeder Kunde nachlesen. Auf den Verpackungen werden „Zutaten“ wie Guarkernmehl, Karamellsirup und verschiedene Glyceride aufgelistet. Auch viele Bäckereien bedienen sich der Tricks der Industrie. Viel Gebäck wird heute auch beim Bäcker mit industriell vorgefertigten Backmischungen hergestellt, in denen ebenfalls zahlreiche Zusatzstoffe enthalten sind. Supermarkt und Bäckerhandwerk, geht das überhaupt zusammen?
Größe kein Qualitätskriterium: „Klein heißt nicht automatisch besser“
Haubis-Eigentümer Anton Haubenberger schlägt in dieselbe Kerbe: „Die Größe eines Bäckers soll kein Qualitätsmerkmal für die Produkte sein. Kurzum: nur weil ein Betrieb ‚klein‘ ist, bäckt er nicht automatisch das bessere Brot, ohne Backmischungen oder mit Zutaten aus Österreich.“ Haubenberger bricht auch eine Lanze für den oft schlecht geredeten Teigling: „Teiglinge per se sind eine gute Sache, denn sie werden ganz nach Bedarf gebacken und können außerdem vom Bäcker vor Ort veredelt werden. Das Semmerl im Regal ist auf diese Weise immer frisch. Unsere Teiglinge stellen wir außerdem aus beinahe 100 Prozent österreichischem Mehl – hauptsächlich aus Nieder- und Oberösterreich - her. Wir kennen unsere Lieferanten seit Jahrzehnten und mit vielen verbindet uns schon mehr als eine Partnerschaft“, erklärt Haubenberger, der als der Erfinder der Teiglinge gilt. Der niederösterreichische Bäcker Haubis (Petzenkirchen) ist seit 1902 in Familienbesitz. Aus der damals kleinen Bäckerei am Vierkanthof von Anton Haubenberger ist heute eine der größten Bäckereien des Landes geworden. Haubis beschäftigt rund 800 Mitarbeiter und stellt nach bewährten Rezepturen mit einem größtmöglichen Anteil an Handarbeit und Mehl aus Österreich unterschiedlichste Backwaren her. „Wir sind IFS-zertifiziert, tragen das AMA-Gütesiegel und das Europäische Bio-Label“, ergänzt Anton Haubenberger, der mit seinem „Haubiversum“ auch die Türen seines Unternehmens für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.
Vielfalt beginnt im Boden
Am Gut Wildshut, dem 1. Biergut Österreichs, geht die Privatbrauerei Stiegl andere Wege. In der Bio-Landwirtschaft werden vom Aussterben bedrohte Urgetreidesorten angebaut und alte Nutztierrassen gezüchtet. Bei allem Tun folgt man in Wildshut dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft. „Wir schenken den Rohstoffen besonderes Augenmerk, denn beim Bierbrauen ist es wie beim Kochen: das Ausgangsprodukt muss passen, sonst ist die beste Kochkunst umsonst. Kurzum: Vielfalt beginnt für uns schon bei den Zutaten. Und was ist die wichtigste Voraussetzung für bestes Getreide und besten Hopfen? Ein gesunder, fruchtbarer Boden“, erklärt Kreativbraumeister Markus Trinker. Mit Wildshut hat die Brauerei-Inhaberfamilie Kiener einen Ort geschaffen, an dem ausprobiert werden kann, wie es anders geht. „In Wildshut bauen wir seit 2006 erfolgreich alte, fast in Vergessenheit geratene Getreidesorten – so genannte ‚Urgetreidesorten‘ – an und veredeln diese zu wertvollen Malzen“, so Trinker. Alte Sorten sorgen aber nicht nur für neue, andere Geschmacks-erlebnisse beim Bierbrauen, sondern sind – weil sie so genannte „Tiefwurzler“ sind – resistenter bei extremem Wetter und einige Urgetreidesorten wie Einkorn und Emmer haben außerdem noch ernährungsphysiologische Vorteile gegenüber herkömmlichem Getreide.
Das Stiegl-Gut Wildshut: Kreislaufwirtschaft zum Angreifen
Das Gut Wildshut zeigt im Kleinen, wofür Stiegl in seiner Gesamtheit steht: für ehrliche Arbeit, für Transparenz und für Nachhaltigkeit. Wildshut gilt als Ideenschmiede, als „think tank“ in Sachen Bier und lebt den Kreislauf: vom Boden, übers Feld ins Glas und wieder zurück. Und: Vielfalt bei den Zutaten hat auch Qualität und Buntheit in den Produkten zur Folge. Die in Wildshut gemachten Erfahrungen kommen der gesamten Brauerei zu Gute. „So leben wir unser Motto „Lust an der (Bier-)Vielfalt“ mit mehr als 20 verschiedenen Bieren und sind damit übrigens die Brauerei mit der größten Vielfalt in Österreich. Wichtig ist uns auch, dass wir sehr viele direkte Einkaufsmodelle mit unseren langjährigen Partnern – z.B. den Mühl- und Weinviertler Bauern – pflegen und ihnen faire Preise für ihre Ware bezahlen“, sagt Trinker. „Entscheidend ist, den Menschen wieder klar zu machen, dass Lebensmittel ‚Mittel zum Leben‘ sind, die ihren Wert und ihren Preis haben.“ Dies könne für Trinker nur gelingen, wenn sich Produzent und Konsument wieder annähern: „Das ist auch der Grund, warum wir die Tore unseres Gutes auch für die Menschen geöffnet haben, um eben zu zeigen, wie anders wirtschaften möglich ist und auch, wie unser Bier entsteht.“
Slow Food – Gefährdete Produkte schützen und fördern
Eine Organisation, die sich für die Erhaltung und Verbreitung der vielfältigen traditionellen Lebensmittel dieser Erde und den Schutz der Biodiversität einsetzt ist Slow Food. Unter dem Motto „Essen, was wir retten wollen!”, werden in der „Arche des Geschmacks”, einem Projekt der Slow Food Stiftung für Biodiversität, fast vergessene traditionelle und vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten und Nutztierrassen sowie nahezu in Vergessenheit geratenes Lebensmittelhandwerk wiederentdeckt und weltweit dokumentiert. Die „Arche des Geschmacks“ wurde vor 20 Jahren ins Leben gerufen und stellt das Welterbe des Essens dar. „Unser Ziel bei Slow Food ist es, mit der ‚Arche des Geschmacks‘ dazu beizutragen, dass die Vielfalt dieser Erde für die nächsten Generationen geschützt und bewahrt wird“, bringt es Barbara van Melle, Slow Food-Botschafterin für Lebensmittel auf den Punkt. Einige Arche-Produkte werden als sogenannte „Presidi” (ital. für Schutzräume) besonders gefördert. Sie werden in einer Kooperation von kleinbäuerlichen Produzentinnen und Produzenten, handwerklichen Verarbeitungsbetrieben und der Gastronomie sowie durch den Aufbau einer breiten Verarbeitungs- und Wertschöpfungskette einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Derzeit gibt es weltweit mehr als 400 Presidi.
Slow Food wurde 1989 in Italien von Carlo Petrini gegründet und umfasst heute ein weltweites Netzwerk von mehr als einer Million Menschen, die sich mit Überzeugung für gutes, sauberes und faires Essen einsetzen: Bauern, Bäuerinnen, LebensmittelproduzentInnen, KöchInnen, AktivistInnen und WissenschafterInnen in mehr als 160 Ländern. Die internationale Non-Profit-Organisation zählt zudem rund 100.000 Mitglieder in 1.500 Convivien (lokale Gruppen) und setzt sich für gefährdete Lebensmittel, Kulturpflanzensorten und Nutztierrassen ein, die durch die fortschreitende Globalisierung des Handels und der Industrialisierung der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion gefährdet sind (www.fondazioneslowfood.com).
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Am Stiegl-Gut Wildshut diskutierten rund um das Thema Brot im Bild v.l.: Anton Haubenberger (GF Haubis), Matthias Bauer (Sortimentsmanager für Brot bei Spar), Pater Virgil Steindlmüller OSB (Erzabtei Stift St. Peter), Barbara van Melle (Slow Food-Botschafterin für Lebensmittel), Markus Trinker (Kreativbraumeister bei Stiegl), Peter Löcker (Tauernroggen-Bauer) und Jakob Itzlinger (Salzburger Bio-Bäcker) (c) Neumayr